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Podiumsdiskussion mit Tobias Stieler und Christof Günsch

Der Hessische Fußball Verband bot am Montag (19. April 2021) für Gespannführer und Verbandsmitglieder eine Podiumsdiskussion mit Tobias Stieler (FIFA-SR aus Offenbach) und Christof Günsch (2. BL aus Frankenberg) an. Thema war vor allem die Arbeit des VAR (VideoAssistantReferee) in der Bundesliga und weshalb er derart viel Kritik erfährt. Geleitet wurde das Online-Projekt von Christoph Schröder (Beauftragter für Beobachterwesen im HFV) und Andreas Schröter (Verbandslehrwart des HFV). Die Diskussion fand bereits vor dem eigentlichen Termin viel Zuspruch und so wurde auch im Nachgang viel diskutiert und der Abend als "gelungen" und "lehrreich" betitelt.

Vor über 225 hessischen Schiedsrichtern und Verbandsmitgliedern startete der Abend mit dem Thema "Geisterspiele". Stieler habe vor allem zu Beginn der Spieler unter Zuschauerausschluss die Befürchtung gehabt, dass durch die zahlreichen TV-Mikrofone jedes gesprochene Wort klar und deutlich in der Liveübertragung zu hören sei. Dies ist "zum Glück" nicht der Fall. Es sei ungewohnt und schade, den Fußball ohne Zuschauer zu erleben, jedoch sei es derzeit eine notwendige Maßnahme, um gegen das Virus anzukämpfen, so Stieler. Aber auch diverse Vorteile bringe die Stille während der Spiele mit sich. Einige Spieler hatten sich zu Beginn der zuschauerfreien Spiele "selbst verraten" und Foulspiele aufgedeckt, indem sie sich z.B. in gewohnter Lautstärke über ihr eigenes Foulspiel aufregten. Auch könne man als Assistent oder als vierter Offizieller das Coaching der Trainer deutlich besser hören, so Stieler. Hier zeigten sich beide SpitzenSR beeindruckt, die durch die wegbleibenden Fangesänge erstmals einem Coaching ungestört lauschen konnten. "Urs Fischer hat immer wieder Sheraldo (gemeint ist Sheraldo Becker, Union Berlin) aufs Feld gerufen. Bestimmt über 100 mal! Abgesehen von den andauernden Sheraldo-Rufen, hat mich sein Coaching während der beiden Spiele bei Union wirklich beeindruckt.", so Stieler. Auch Günsch kann mit Christian Streich über einen sehr bekannten Trainer in der Bundesliga berichten, der ihn ebenso beeindrucken konnte wie Fischer Stieler. "Immer wieder hat er die Viererkette angesprochen und ihnen Tipps gegeben, aber am Ende rief Streich immer: Ihr entscheidet!", so Günsch.

Ein weiteres Thema des Abends war die "Akzeptanz des VAR". Auch in diesem Thema ergänzten sich Stieler und Günsch gegenseitig. Der VideoAssistant sei in den ersten beiden deutschen Fußballligen nicht mehr wegzudenken, so Stieler, er sei unabdingbar! Dies begründet er damit, dass ein Schiedsrichter ein Spiel nicht mehr durch eine klare Fehlentscheidung entscheiden könne, das Spiel würde dadurch fairer. Auf die Frage, weshalb der VAR oftmals hart in die Kritik genommen wird, zeigt der Wahlberliner Günsch auf, in welchen Situationen die Kritik geübt würde. So wird meistens die Dauer oder das generelle Eingreifen kritisch aber nicht immer sachlich hinterfragt, wenn eine Mannschaft oder deren zugehörige Fans eine Entscheidung gegen sich zu erwarten haben. Generell würde der VAR aber deutlich kritischer angesehen als anderswo auf dieser Welt, so Stieler. Die deutschen Fußballbegeisterten hätten zu hohe Erwartungen bereits vor der eigentlichen Einführung an den Videoassistenten gestellt und seien kulturbedingt skeptisch neuer Technik gegenüber, weshalb mit dem ersten Eingriff auch die erste Kritik zu erwarten war. In Amerika hingegen, wo man den VAR bereits aus anderen Sportarten wie z.B. dem American Football kannte, würde kaum Kritik an der Dauer oder dem Ablauf einer Überprüfung geübt werden. Den deutschen Fußballern und Fans ginge es oft nicht schnell genug, dabei stünden die Schiedsrichter im Kölner Keller unter enormen Zeitdruck, die richtige Entscheidung zu treffen, so Günsch. Dabei gilt bei den Videokeller-Schiedsrichtern klar die Devise: Sicherheit vor Schnelligkeit! Stieler beschreibt die Arbeit im VAR-Keller als eine Arbeit auf dem "heißen Stuhl", da die Schuldfrage weitestgehend von dem Schiedsrichter auf dem Platz in den Kölner Keller verlegt wurde, mit der Begründung, er könne mögliche Entscheidungen revidieren. Dabei vergessen viele Spieler und Außenstehende, dass der Schiedsrichter auf dem Feld das letzte Wort habe. Auch die Medien seien an dem nicht makellosen Bild nicht unbeteiligt, das viele Fußballer und Fans haben. Die meisten Situationen würden im Nachgang oftmals größer gemacht, als sie tatsächlich seien, was wiederum für Gesprächsstoff bei den Zuschauern sorge. Da sich jedoch fast alle Vereine maßgeblich an der Einführung des VAR beteiligt hätten, können sich die beiden Top-Schiedsrichter nicht vorstellen, dass die Vereine die Überprüfungen durch den Kölner Keller wieder loswerden wollen würden. Auf die Frage eines Zuschauers, ob sie eine Einführung eines (wie im American Football praktizierten) Challengerechts für sinnvoll erachten, kommen beide SpitzenSR zu dem Entschluss, dass so das Ziel des VAR verfehlt werde, da nicht jede klare Fehlentscheidung aufgedeckt werden könne, wenn z.B. der Trainer der Mannschaft A bereits die erlaubte Anzahl an Überprüfungen eingefordert habe, in Minute 90 aber noch ein Handspiel bei einer Torerzielung gegen ihn die Niederlage bedeuten würde. Diese Fehlentscheidung bliebe bestehen, trotz Videobeweis. Des Weiteren könnten die meisten Situationen aus der Coachingzone heraus kaum bzw. nur schlecht gesehen und beurteilt werden, was zu Reklamationen für eine Überprüfung führe, obwohl die Szene auf der anderen Seite des Platzes eigentlich klar richtig abgehandelt wurde. Das führe eher zum Wünschen als einem tatsächlichen Wissen, so der Wahlhamburger.

Auch auf das Bewertungssystem im Bezug auf einen Eingriff des VAR kamen Stieler und Günsch zu sprechen. "Die meisten Entscheidungen, die man nicht sehen kann (aber spielentscheidend sind), werden nicht mit dem höchstmöglichen Abzug von -0,5 gewertet, wie zum Beispiel ein Handspiel aus der Bewegung heraus kurz vor einem Tor.", so Stieler. "Die UEFA ist jedoch härter, was eine erneute Fehlentscheidung nach einer Überprüfung am Monitor angeht. Hier wird jetzt für eine übersehende Notbremse nicht nur für das Nicht-Erkennen auf dem Spielfeld -0,5 Punkte abgezogen, sondern bei Nicht-Erkennen der Notbremse am Monitor und einem Aufrechterhalten der Fehlentscheidung nochmals -0,5 Punkte abgezogen, insgesamt also -1,0 Punkte für eine Situation.".


Eine Fortführung des Artikels folgt in Kürze...


Bericht: Ole Sicker, Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit

Bilder: Steiler beim Spiel der Nationalmannschaft Portugals, Stieler in der ReviewArea beim Spiel Dortmund - Paderborn (aus rechtlichen Gründen dürfen wir kein Bild der virtuellen Podiumsdiskussion veröffentlichen)



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